Fernsehen das Lagerfeuer, das die Familie im heimischen Wohnzimmer versammelt. Glaubt man den Rednern des NewTV Kongresses, der am 18. April in Hamburg stattgefunden hat, geht es dem Fernsehen gut. Der durch den Untertitel Time for Disruptions suggerierte Wandel ist überhaupt nicht nötig, denn fast in jedem Vortrag wird dem Publikum erzählt: Der lineare Konsum steigt, die Deutschen schauen MEHR Fernsehen. Brauchen sich die Sender also wirklich keine Sorgen zu machen? Betrachtet man die breite Masse, schauen die meisten Deutschen natürlich noch linear Fernsehen. Bei vielen Haushalten läuft der Fernseher allerdings nur nebenbei. Und immer mehr Zuschauer surfen während des Fernsehens im Internet. Das zeigt auch die ARD/ZDF-Onlinestudie 2012.
Bei mir läuft der Fernseher fast gar nicht mehr und das, obwohl ich mit linearem Fernsehen aufgewachsen bin. Damit ich den Fernseher einschalte, um das Fernsehprogramm linear zu verfolgen, benötige ich einen triftigen Grund. Bei Germanys next Topmodel – ja ich gebe zu dass ich das schaue – ist das beispielsweise die Erinnerung an die gemeinsamen Fernsehabende in der WG und der Wunsch sich auch alleine auf der Couch parallel zum Programm mit anderen auszutauschen. Da sind wir wieder beim Second Screen und Social TV angelangt. Ich habe in meinen WG-Zeiten mit meiner Mitbewohnerin aber auch mehrere Abende mit Sex and the City Serienmarathons verbracht, also ein gemeinsamer on demand Konsum. Und selbst wenn ich heute Serien on demand schaue, lese ich sehr oft im Anschluss die Review auf Serienjunkies.de und die Kommentare der User. Warum ich das tue? Gerade bei Serien mit komplexen Inhalten wie z.B. Homeland oder Game of Thrones interessiert mich, wie andere die Folge aufgefasst haben. Vielleicht habe ich ja einen wichtigen Handlungsstrang verpasst? Fernsehinhalte sind aber nicht nur bei mir gesprächswürdig.
Während sich der Zuschauer früher am nächsten Tag in der Schule oder im Büro über das Fernsehprogramm des Vortages ausgetauscht hat, findet das heute eben parallel oder nachgelagert auf den verschiedenen Social Media Plattformen statt. Der Tatort ist eine der wenigen Ausnahmen, die fest zum Sonntagabend der Deutschen in allen Altersklassen dazugehört. Hier schaut man noch linear, entweder im Kreise der Familie oder gemeinsam in einer Kneipe zum Public Viewing oder bei Twitter digital.
Bei der Jugend von heute spielt lineares Fernsehen aber fast gar keine Rolle mehr. Während die Fernsehmacher in ihren Vorträgen erzählt haben, wie rosig die Zukunft doch ist, widerlegen vier Jugendliche in dem Abschlusspanel des Kongresses zum Medienkonsum alle Aussagen der Redner.
Die Altersgruppen 18-34 Jahren schauen TV Sendungen und Filme verstärkt online. Für diese Zielgruppe ist Video on demand also bereits Alltag. Das haben auch die Jugendlichen im Panel bestätigt. Sie suchen sich ihre Informationen bzw. Sendungen zielgerichtet im Web. Aus diesem Grund hat die junge Generation auch kein Interesse an einem Jugendsender. Die Aussage der Teens: Die Interessen der Jugendlichen sind so heterogen, die kann ein Sender eh nicht abbilden. Wenn sie Lust auf Musik habe, möchten sie auch Musik schauen und nicht das was gerade im TV läuft. Sie stellen sich ihr TV Programm also selbst zusammen.
Halten wir also fest. Die „ältere“ Generation kennt noch das lineare Fernsehen und schaut auch noch klassisch TV, während die Jungen Fernsehinhalte verstärkt on demand konsumieren. Wie ein Format wie die Tagesschaut über die verschiedenen Altersgruppen genutzt wird, wurde am NewTV Kongress sehr schön am Beispiel der Tagesschau gezeigt.
Während die Tagesschau im linearen Programm um 20 Uhr von einem Altersdurchschnitt über 60 Jahren geschaut wird, informieren sich die Altersgruppen um 36 Jahren über die Tagesschau-App. Hier haben auch die Teens gesagt, die Tagesschau in 100 Sekunden schauen sie gerne, 15 Minuten sind zu lang. Sie möchten bei Nachrichten angeteasert werden, bei den Punkten die sie interessieren informieren sie sich im Anschluss.
Der NDR hat erkannt, wo der Bedarf liegt und hat für die eigenen Inhalte die Regel „Online first“ erstellt. Sind Formate produziert, werden sie online gestellt. Das geschieht bei der Tagesschau aber auch bei Sendungen wie dem Tatortreiniger. Kritiker könnten nun sagen, dass diese Zuschauer nun beim linearen TV-Konsum wegfallen. Aber die On demand-Nutzung kannibalisiert das lineare Fernsehen nicht. Ganz im Gegenteil, wenn ich die Inhalte vorher sehe und sie mir gefallen, erzählen ich das doch meinen Freunden und die schalten vielleicht beim klassischen Fernsehen ein.
Neben den 1,3 Mio Zuschauern im linearen Programm, wird die Soap Verbotene Liebe zusätzlich von 300.000 Zuschauern on demand konsumiert. Bei der Dokumentation der ARD zum Versandhändler Amazon war der Anteil der on demand Zuschauer fast identisch, wie der Anteil der linearen Zuschauer. Der Video on demand Konsum wird weiter steigen.
Insgesamt betrachtet steht also fest: Der Wandel der Mediennutzung macht auch vor dem Fernsehen nicht halt. Das lineare Fernsehen altert mit dem Zuschauer, die junge Generation kann mit dem linearen Fernsehen nicht mehr allzu viel anfangen. Das Fernsehprogramm ob es nun linear oder on demand konsumiert wird, löst aber weiterhin Gesprächsbedarf aus. Am Beispiel der Tagesschau hat sich gezeigt, dass auch Sender wie der NDR mit entsprechenden (Online-) Angeboten junge Zuschauer erreichen können. Zurücklehen ist also nicht, der Untertitel des NewTV Kongresses Time for disruptions sollten sich die Fernsehmacher also doch zu Herzen nehmen.
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